Die Landwirtschaft, insbesondere die Tierhaltung, befindet sich in Deutschland in einem tiefgreifenden Wandel. Dass sie bereit sind, den Weg mitzugehen, haben Bauern im Emsland bei einem Besuch von Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels, der Tönnies-Unternehmensgruppe und von Lieferantenorganisationen bekräftigt. Gleichzeitig forderten sie Verlässlichkeit, Planungssicherheit und eine angemessene Vergütung. Schließlich müsse der künftig deutlich erhöhte Standard hinsichtlich der Tierhaltung auch bezahlt werden, hieß es.
Die Gruppe um den Leiter Landwirtschaft des Geschäftsbereichs Rind bei Tönnies, Gunnar Rohwäder, erhielt Einblick in sechs Bullenmastbetriebe und bekam Gelegenheit, mit den Erzeugern ins Gespräch zu kommen. Die Gastgeber untermauerten ihre Bereitschaft zur Umsetzung von strengeren Haltungskriterien, etwa mehr Platz pro Tier und damit einhergehend die Reduzierung der Bestände, und von erhöhten Anforderungen an Außenklima- und Offenfrontställe. Der eingeschlagene Kurs sei machbar und realistisch, zeigten sich die Akteure aufgeschlossen. Hinsichtlich der Pläne der Bundesregierung zur Einführung einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung forderten die Landwirte allerdings eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und eine breitere Aufklärung der Verbraucher. Schließlich gehe es auch darum, langfristig Perspektiven für die Landwirtsfamilien zu gewährleisten. Ebenso wichtig sei eine konstruktive Zusammenarbeit aller Verantwortlichen in der Kette.
Verbraucher sollen nach Plänen der Bundesregierung künftig bekanntlich auf einen Blick erkennen, wie ein Tier in landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland gehalten wurde. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft arbeitet dazu an einem verbindlichen Kennzeichnungsgesetz. Es sind fünf Stufen geplant: Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio. Maßgeblich für die Kategorisierung ist die Haltungsform der Tiere während des sogenannten „produktiven Lebensabschnitts“, sprich: die Mast. In einem ersten Schritt wird Fleisch von Schweinen gekennzeichnet. Nachfolgend soll zügig eine Erweiterung auf weitere Tierarten, die Gastronomie sowie verarbeitete Produkte erfolgen.
Bei den Gesprächen mit den Bullenmästern habe sich einmal mehr gezeigt, dass die Landwirte verlässliche Rahmenbedingungen verlangten, die vor allem auch die Finanzierung und das Baurecht umfassen, um Investitionen in Tierwohl langfristig planen und umsetzen zu können, sagt Gunnar Rohwäder. Gerade junge Bauern brauchten langfristige Perspektiven, um ihre Betriebe im Sinne der gesellschaftlichen und politischen Anforderungen weiterentwickeln zu können. Hinsichtlich der Umsetzung des Gesetzentwurfs müsse Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Darüber hinaus seien Erkenntnisse der Wissenschaft zu berücksichtigen, so Rohwäder weiter. Bei der vom Bund geplanten Tierhaltungskennzeichnung müssten überdies Erfahrungen mit bestehenden, etablierten und anerkannten Programmen berücksichtigt werden.
Gunnar Rohwäder: „Ein Landwirt sagte mir: Es darf nicht sein, dass auf dem Rücken von uns Bauern einseitig in Deutschland Programme übers Knie gebrochen werden. Wir leben hier nicht auf einer Insel.“ Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit brauche es deshalb EU-weit einheitliche Rahmenbedingungen, sagt der Leiter Landwirtschaft des Geschäftsbereichs Rind bei Tönnies. Das stärke die heimische Produktion. „Wir stehen uneingeschränkt für Verbesserungen beim Tierwohl. Wichtig ist dabei, dass Investitionen in den landwirtschaftlichen Betrieben zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben finanziell entsprechend honoriert werden. Hierzu sind verlässliche Konzepte erforderlich, wie sie zum Beispiel die Borchert-Kommission bereits vorgelegt hat.“
Zum Abschluss des Betriebsbesuchs bei der Familie Thiemann versammelte sich die Gruppe zum gemeinsamen Foto. Das Bild zeigt (v. l.) Landwirt Ulrich Thiemann, Klaus Triptrap (Firma Venneker), Stephan Schoch (Aldi Süd), Constantin Jochims (Tönnies), Jürgen Kolbeck (SGS), Gunnar Rohwäder (Tönnies) und Landwirt Lutz Thiemann.