Eigentlich hatte die EU das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Anfang des Jahres bereits genehmigt und damit den Weg für die Umsetzung des Gesetzes geebnet. Nachdem der Entwurf im BMEL nachträglich überarbeitet wurde, musste die neue Version erneut zur Notifizierung nach Brüssel gegeben werden.
Das führt dazu, dass das Ministerium den Zeitplan zur Umsetzung des Gesetzes voraussichtlich nicht halten kann. Doch das stößt in der Branche weniger stark auf als die Tatsache, dass bei den vorgenommenen Änderungen am Entwurf offenbar die Landwirtschaft gar nicht erst gefragt wurde.
„Der Vorgang weckt erneut Zweifel, ob es Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir tatsächlich mit einem Umbau der Tierhaltung in Deutschland ernst meint“, bemängelt Thomas Dosch, Leiter des Tönnies Hauptstadtbüros in Berlin. Auch der ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack übte scharfe Kritik am Vorgehen: „Offensichtlich will der Minister nicht direkt mit den Betroffenen aus der Landwirtschaft über den Gesetzentwurf reden. Und auch, dass er so kurz vor der Agrarministerkonferenz (AMK) mit der Einreichung bei der EU Fakten schafft, ist bemerkenswert. Es werden also auch die Bundesländer ignoriert, wie aus den wiederholten Forderungen auch im aktuellen AMK-Protokoll deutlich wird.“
Zwar hatten einige Kritikpunkte, die insbesondere von der Landwirtschaft kamen, im neuen Entwurf Berücksichtigung gefunden. So wurde u. a. das Downgrading aufgenommen, also die Möglichkeit, Abschnitte von Tieren einer Haltungsform in die nächst-niedrige Haltungsstufe, wenn diese nicht mit der Auslobung der höheren zu vermarkten sind. Allerdings gilt dies nur bis zu einem Anteil von 20 Prozent. Höhere Anteile müssen als „Mischkennzeichnung“ in Prozentanteilen auf der Verpackung angegeben werden. Unklar ist, ob der LEH sich auf eine Mischkennzeichnung überhaupt einlässt, oder Angebotsüberhänge höherer Haltungsstufen nur mit Verlusten abgesetzt werden können.
Auf der anderen Seite wurden aber auch Punkte verändert, die direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Landwirte haben. So wurden Haltungsformen umbenannt, Platzvorgaben für einzelne Haltungsstufen verändert, Dokumentationspflichten erweitert und zusätzliche Maßnahmen wie die verpflichtende Raufuttergabe bei der Haltungsform „Stall plus Platz“ eingeführt. Ergänzt wurden Angaben zum Einsatz von Beschäftigungsmaterial. Demnach muss gesundheitlich unbedenkliches und in ausreichender Menge vorhandenes organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung stehen, zu dem jedes Schwein jederzeit Zugang hat, das das Schwein untersuchen und bewegen kann und das vom Schwein veränderbar ist und damit dem Erkundungsverhalten dient.
Damit weicht das BMEL bei der Ausgestaltung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes immer mehr von den eigenen Ansprüchen des Gesetzes ab. Danach soll die Tierhaltungskennzeichnung für Verbraucherinnen und Verbraucher erkennbar machen, ob Nutztiere wie Schweine, Rinder oder Hühner „besser“ gehalten werden, als es gesetzlich vorgeschrieben ist. Doch davon, so die einhellige Meinung von Verbänden des Berufstandes, Verbänden der Fleischbranche, des Handels, bis hin zu Tierschutzverbänden, ist der Gesetzentwurf meilenweit entfernt.