Anhebung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung einer zukunftsfähigen Tierhaltung?
Als ich im vergangenen Sommer zum ersten Mal von der Idee gehört habe, die Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 Prozent auf 19 Prozent anzuheben, um so den nötigen Finanzierungsrahmen für die erhöhten Tierwohlmaßnahmen in der Nutztierhaltung zu finanzieren, war ich zugegebenermaßen mehr als skeptisch. Steuereinnahmen ohne Zweckbindung – ob die Landwirte hier je einen Cent von Sehen werden und gleichzeitig würde eine solche Steuer ein völlig falsches Bild an die Bevölkerung suggerieren, nämlich, dass unsere Schweinehalter nur über zusätzliche Subventionen überlebensfähig sind. Na klar, Tierwohl kostet Geld! Dafür erhält der Verbraucher aber auch hochwertige Produkte, die weit über dem europäischen Standard liegen und die an sich einen entsprechenden Wert haben – den es zu bezahlen gilt!
Mit der jetzt veröffentlichen Empfehlung des „Kompetenznetzwerk für Nutztierhaltung“ für eine zweckgebundene Abgabe, die in Zukunft auf Fleisch, Milch und Eier erhoben werden soll scheint ein guter Kompromiss gefunden. Über die Fleischabgabe sollen die Mehrkosten für tiergerechte Haltungsverfahren zum Großteil staatlich finanziert werden und die Höhe des Finanzierungsbedarfs von 3,6 Mrd. €, die bis zur vollständigen Umsetzung ab 2040 benötigt werden, decken.
Soweit so gut, jetzt heißt es verlässliche und vor allem langfristige Finanzierungsvereinbarungen zu schaffen, die sowohl national als auch auf EU-Ebene eine Revolution der Tierhaltung in Deutschland ermöglichen. Denn genau das steht unseren Betrieben mit den neuen Zielvorgaben bevor.
Nach wie vor wäre eine Kombination der staatlichen Aktivitäten mit der Brancheninitiative Tierwohl zu begrüßen. Sind bei der ITW doch bereits 6.600 Betriebe mit erhöhten Tierwohlstandards gelistet und entsprechende Prüfsysteme auf die Beine gestellt worden. Grade auf Verbraucherebene sollten eine transparente und einheitliche Kennzeichnung präsentiert werden. Ebenso wichtig ist es die Mehrkosten der geforderten durchgängigen Lieferketten im Blick zu behalten und ALLE Stufen der Schweinehaltung zu berücksichtigen. Mit meinen Wurzeln in der Schweinezucht liegt mir unsere hiesige Sauenhaltung natürlich besonders am Herzen. Über die neue Branchenvereinbarung der Initiative Tierwohl könnte der Eindruck entstehen, dass grade dieser herausfordernde Wirtschaftszweig an Bedeutung verliert – bestimmt nur eine Fehlintention, wurde doch das klare Bekenntnis gegeben: „Schweinehaltung vor Ort statt Ferkelimport!“
Mit unserer Agenda t30 – die Tönnies Nachhaltigkeitsziele 2030 – nehmen wir uns den Herausforderungen unserer landwirtschaftlichen Partner an. Mit dem Ziel den gesellschaftlichen Ansprüchen an die Fleischproduktion gerecht zu werden, die Eiweißversorgung für Milliarden Menschen, die Wirtschaftlichkeit unserer landwirtschaftlichen Partner und des Unternehmens sowie Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern. Etwas ambitioniert? Von wegen… während die Politik noch diskutiert werden wir aktiv: mit der Unterstützung der Initiative Tierwohl über den Juni 2021 hinaus, unserer Stallbaugenossenschaft und dem TONISO-Fütterungskonzept stellen wir uns den brisanten Themenfeldern der Landwirtschaft und gehen in die Offensive. Dass sich die Schweinehaltung drastisch verändern wird, ist allgegenwärtig, jetzt heißt es Farbe zu bekennen – wie gut, dass sich Königsblau so schön kombinieren lässt.
Eure Franzi