Das Gesetz für eine staatliche, verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ist beschlossene Sache: Der Deutsche Bundestag hat am Freitagmittag das von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eingebrachte Gesetz durchgewunken. Es teilt künftig die Tierhaltung bei Mastschweinen in fünf statt bislang vier Haltungsformen: Stall, Stall+Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio. Darüber hinaus ist das Baurecht gelockert und der Realität angepasst worden: Landwirte, die ihre Ställe auf die Haltungsformen Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio umbauen wollen, erhalten eine baurechtliche Privilegierung. Tierhalter müssen ihre Bestände dazu nicht verringern. Möglich wird zudem, dass ein Ersatzneubau an anderer Stelle erfolgen kann als das Altgebäude. Damit bleibt die Tierhaltung auch während der Baumaßnahmen für einen Ersatzstall möglich.
„Der Minister stellt sich den Herausforderungen, das verdient Anerkennung“, sagt Thomas Dosch, Leiter des Tönnies-Hauptstadtbüros. Özdemir habe die Haltungskennzeichnung, ein Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung, das Baurecht und das Immissionsschutzrecht angepackt. „Wer mehr Tierwohl will, muss eine Haltungskennzeichnung unterstützen. Wir wollen mehr Tierwohl. Das heute verabschiedete Gesetz ist ein Anfang“, unterstreicht Dosch. Es sei aber leider nicht der große Wurf, den sich die Branche gewünscht hätte. „Es mangelt an Zielgenauigkeit in den Details. So fügen sich die Teile bislang nicht zu einem Ganzen. Es braucht mehr Dialog zwischen Politik und der Wirtschaft, die das Gesetz in der Realität ja umsetzen muss. Es fehlt an Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher, es fehlt an Verlässlichkeit für die Landwirtschaft, es fehlt die langfristige Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung“, sagt der Tönnies-Manager.
Schon jetzt ist deshalb klar: Es muss so schnell wie möglich erweitert werden. „Tierwohl muss am Ladenregal besser erkennbar werden“, betont Thomas Dosch. Es müssten Produkte aller Nutztierarten in das Kennzeichnungssystem integriert werden. Auch verarbeitete Produkte sollten gekennzeichnet werden. Gastronomie und Großverbraucher müssen erfasst werden. Auslandswaren müssen verpflichtend eingebunden werden. „Nur dann kann das eigentliche Ziel der Tierhaltungskennzeichnung, nämlich Transparenz für den Verbraucher, auch erreicht werden.“
Das Haltungskennzeichnungsgesetz muss laut Thomas Dosch vor allem mit der Umsetzung der Empfehlungen der Borchert-Kommission Hand in Hand gehen. „Es geht um die gesamte Transformation der Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl. Trotz aller zustimmenden Beteuerungen von Bund und Ländern bewegt sich hier noch zu wenig“, betont er. Dabei sei die Finanzierung der Transformationsbemühungen elementar. Denn das hätten die vergangenen Jahre der Inflation gezeigt. Die Erfahrung lehre, dass die breite Masse der Verbraucher nicht bereit ist, die Mehrkosten an der Ladentheke zu finanzieren. „Hier braucht es bei einem deutschen Sonderweg in einem EU-Binnenmarkt staatliche Förderung – oder wir verbleiben im Status Quo.“