Wenn in der Debatte um die globale Klimaerwärmung die Frage nach Faktoren gestellt wird, die sie beschleunigen, dann zählt die Landwirtschaft zu den meistgenannten. Allen evidenzbasierten Grundlagen zum Trotz machen einige Interessensgruppen insbesondere das Rind zum Sündenbock. Weil es während seines Lebens derart große Mengen Methan freisetze, befeuere es den Treibhauseffekt, heißt es seitens der Kritiker. Und sie haben eine radikale Lösung parat: das Ende der Nutztierhaltung.
Ganz so einfach ist es aber nicht, äußerten sich kürzlich Wissenschaftler der Universität Oxford in einem Fachmagazin. Sie hatten die Wirkung von Klimagasen anhand ihrer Lebens- und damit Wirkungsdauer bilanziert. Das Ergebnis ihrer Forschungen: Methan ist weniger relevant für die Erderwärmung als vielfach angenommen. Manchen mag diese Erkenntnis bekannt vorkommen – und das aus gutem Grund! Die Briten sind weder die Ersten noch die Einzigen, die sich für eine Neubewertung der Rolle von Methan als Treibhausgas stark machen.
Methan ist zweifellos ein potentes Treibhausgas. Allerdings hat es im Vergleich zu Kohlendioxid eine viel kürzere Lebensdauer in der Atmosphäre. Es wird in einem 1/100-Bruchteil der Zeit abgebaut, die CO2 benötigt. Langfristig bleibt also die Reduzierung von letztgenanntem entscheidend.
Um die Wirkung verschiedener Gase vergleichbar zu machen, nutzen Wissenschaftler das Global Warming Potential (GWP) als Größe. Hier hat Methan ein CO2-Äquivalent von 28. Ein Methanmolekül wirkt demnach wie 28 CO2-Moleküle. Aber: Kohlenstoffdioxid bleibt ungefähr 1000 Jahre lang in der Atmosphäre, Methan hingegen ist nach zehn Jahren abgebaut. Kurzum: Solange nicht mehr Methan in die Atmosphäre abgegeben wird als wieder zerfällt, hat das Gas keinen verstärkenden Effekt auf den Klimawandel.
Die Untersuchungsergebnisse aus England spiegeln die Einschätzung von Professor Dr. Wilhelm Windisch wider. Windisch ist ehemaliger Ordinarius für Tierernährung an der Technischen Universität München. Es gebe mittlerweile eine Reihe von Statements und Szenarien namhafter wissenschaftlicher Einrichtungen, die die Oxford-Modelle aufgreifen, sagt er. Letztendlich werde die kurze Halbwertszeit des Methans thematisiert, die in den derzeit angewandten Berechnungsmethoden der CO2-Äquivalente (GWP 100) in viel zu verkürzter Weise abgebildet sind. Daraus ergebe sich für die mitteleuropäische Situation der Haltung von Wiederkäuern ein überzogenes Bild der Klimarelevanz.
Allerdings bedürfe es einer differenzierten Betrachtung, erläutert Windisch: „Es darf nicht vergessen werden, dass dieselbe Unzulänglichkeit bei GWP 100 für andere Regionen mit steigendem Rinderbestand – beispielsweise Indien, Pakistan, Brasilien – eine massive Unterschätzung der Klimawirkung zur Folge hat. Bei der Betrachtung der Oxford-Modelle ist also Vorsicht geboten, denn sie liefern keine völlige Absolution der Wiederkäuer in Bezug auf Methan und Klima.“