Skandinavier gehen beim Kupierverzicht voran

Nach wie vor wird der überwiegende Teil der in Deutschland sowie anderen Staaten der Europäischen Union konventionell gehaltenen Schweine kupiert. Die EU-Kommission erhöht jedoch zunehmend den Druck auf die Mitgliedsländer, den Verzicht auf diese Maßnahme entschieden voranzutreiben. Dass es konsequent anders geht, zeigt ein Blick nach Skandinavien. In Finnland beispielsweise ist bereits 2002 ein Gesetz zum ausnahmslosen Kupierverzicht erlassen worden.

In Schweden ist das Kürzen ebenfalls vom Tisch. Welche Erfahrungen die Skandinavier damit gemacht haben und inwieweit deutsche Betriebe davon profitieren können, zeigt eine dreiteilige Filmdokumentation des Nationalen Wissensnetzwerks Kupierverzicht. Ein Expertengremium dieses Interessensverbands hatte sich, nachdem es 2022 in Finnland gewesen war, jüngst nach Schweden aufgemacht und auch diese Exkursion mit der Kamera begleitet.

Das Kupieren von Ferkelschwänzen ist in der EU grundsätzlich verboten und nur im Einzelfall mit ausdrücklicher Begründung in einigen Mitgliedsstaaten zulässig. Unter anderem in Deutschland aber werden jedoch immer noch routinemäßig die Schwänze gekürzt, um späteres Schwanzbeißen in der Ferkelaufzucht und Schweinemast zu verhindern.  Das Wissensnetzwerk will Landwirte bei der Haltung unkupierter Tiere unterstützen und schrittweise zum generellen Kupierverzicht in Deutschland führen. In einem ersten Schritt ist beabsichtigt, das Schwanzbeißen bei den Schweinen in den Betrieben zu reduzieren – und zwar durch Umsetzung von individuellen Verbesserungsmaßnahmen. Ganz wesentlich ist dabei auch das Wissen um solche Ansätze, die zu Misserfolgen geführt haben.

Denn die genauen Ursachen für Schwanzbeißen sind nicht immer identifizierbar. Das Phänomen ist ein multifaktorielles Geschehen, welches sich nicht auf die konventionelle Haltung beschränkt, sondern auch in extensiven Haltungsverfahren, in der ökologischen sowie in der Freilandhaltung auftreten kann. Eine Vielzahl von Haltungs-, Fütterungs- und Managementfaktoren sowie die Tiergesundheit können einen Einfluss auf das Auftreten haben. Deswegen ist es nicht möglich, ein einheitliches Lösungskonzept zu erstellen. Somit bedarf es in jedem einzelnen Betrieb, teils auch in unterschiedlichen Ställen und Abteilen des gleichen Betriebs, einer neutralen Schwachstellen- und Risikoanalyse.  

Die Haltung unkupierter Schweine bedarf somit einer intensiveren Beschäftigung mit ihren Tieren und deren Haltungsumwelt. So können betriebsindividuelle Risikofaktoren und damit verbundene Optimierungspotenziale identifiziert werden. Die Reduzierung des Schwanzbeißens wird im Betrieb ein kontinuierlicher Lernprozess. Projektnehmer und Kooperationspartner sind der Förderverein Bioökonomieforschung, die ISN-Projekt-GmbH und die IQ-Agrar-Service-GmbH. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Bundestags gefördert.

Die dreiteilige Videoreportage finden Interessenten hier.