Wer Nutztiere hält, wird sie früher oder später einmal zu einem anderen Betrieb oder zum Schlachtbetrieb transportieren müssen. Doch so einfach das einmal war, so sehr haben alle Beteiligten mit immer mehr Herausforderungen zu kämpfen. Zeitliche Transporteinschränkungen je nach Dauer des Transports oder aufgrund von klimatischen Bedingungen werden immer stärker diskutiert. Dem gegenüber stehen technische Neuerungen und Verbesserungen an den Transportfahrzeugen. Im Rahmen eines Dialog-Workshops der Tönnies Forschung im Hotel Klosterpforte in Marienfeld mit rund 40 Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und NGOs haben Experten aus verschiedenen Bereichen diese Woche ihre Sicht auf die Dinge vorgestellt und neue Blickwinkel für die Zuhörer geliefert.
Jörg Altemeier, Leiter der Stabsstelle Tierschutz bei Tönnies, schärfte das grundsätzliche Bewusstsein für das Thema. Der Transport von Nutztieren stehe unter einem hohen Beobachtungsgrad. Die EU-Richtlinien für Tiertransporte sind in den letzten Jahren sukzessive verstärkt worden. Qualifikation des Personals, technische Zulassung der Fahrzeuge, logistische Planung und vor allem Transportfähigkeit der Tiere seien mittlerweile heftig diskutierte Themen. Doch auch die klimatischen Veränderungen rückten immer mehr in den Fokus. Ende 2022 sei ein Vorschlag der efsa, Schweine bei Außentemperaturen über 25°C nicht mehr zu transportieren, bei einer Veranstaltung in Brüssel ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Was diese Veränderung für die landwirtschaftlichen Betriebe sowie die nachfolgende Verarbeitungsindustrie bedeuten würde, wurde dabei völlig außer Acht gelassen. Denn damit wäre die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln in den Sommermonaten mit heißen Temperaturen nicht mehr gewährleistet. „Was den Transport von Tieren angeht, haben wir uns viel zu lange mit den bestehenden Regelungen angefreundet und zu wenig verändert. Aber aus meiner Sicht ist es schon 5 nach 12, nicht mehr 5 vor 12. Wir müssen uns bewegen, sonst werden neue Regelungen an uns vorbei getroffen. Und das kann katastrophale Auswirkungen haben“, appellierte Altemeier in alle Richtungen.
Die Sicht des Tieres beim Transport brachte Madelaine Looije von der Organisation Eyes on Animals aus den Niederlanden den Teilnehmern näher. In einem beeindruckenden Vortrag unterstrich sie zum einen, dass es vor allem darum gehe, das Tier als fühlendes Wesen wahrzunehmen und daher die Reduzierung von Stress und Angst im Vordergrund stehen müsse. Zum anderen stellte sie auch eine technische Innovation vor, die maßgeblich zur besseren Schulung im Umgang mit Tieren führen kann: Eine VR-Brille, mit der der Mensch seine Umgebung so wahrnimmt, wie ein Schwein oder eine Kuh dies tut. So werden Problemzonen wie dunkle Gänge, in die die Tiere nur ungern laufen, oder Hindernisse, die die Tiere aufhalten, erkannt und können beseitigt werden. So wird dann z.B. ein reibungsloses Auf- oder Abladen ermöglicht. Ihr Fazit: „Der Umgang mit Tieren in den Schlachthöfen hat sich verbessert, beim Transport hat man aber das Gefühl, dass es in den letzten Jahren vielleicht sogar noch schlechter geworden ist. Steigende Temperaturen, weniger Bewusstsein für das Tier als Lebewesen und auch grundsätzlich ein Mangel an Kenntnissen im richtigen Umgang mit den Tieren sehen wir immer wieder.“
Den Schulungsaspekt griff auch Dr. Gerlinde von Dehn, Landestierschutzbeauftragte des Landes NRW, auf. „Zu einem sicheren und unbedenklichen Transport, der das Wohlergehen von Tieren gewährleistet, gehören auch die richtigen Rahmenbedingungen im landwirtschaftlichen Betrieb. Dazu gehören auch die nötigen Kenntnisse beim Landwirt und beim Fahrer. Diese beiden entscheiden, welches Tier transportfähig ist und welches nicht“, sagte sie. Umso wichtiger sei es also, dass hier bereits die richtige Entscheidung im Sinne des Tierwohls getroffen werde – unabhängig von wirtschaftlichen Faktoren. Dr. von Dehn zog den Vergleich zu unterschiedlichen Belastbarkeiten von verschiedenen Altersgruppen beim Menschen: „Allen ist klar, dass Säuglinge und Senioren unterwegs andere Bedürfnisse haben, als Erwachsene. Dass dies bei Tieren genauso ist, daran denkt kaum jemand. Genauso wenig, dass ein Pferd andere Transportbelastungen aushält als ein Schwein. Da wird noch viel zu selten differenziert und das führt zu unnötigem Tierleid.“
Wie ihre Vorredner auch sah die nordrheinwestfälische Tierschutzbeauftragte eine mögliche Stellschraube für eine Verbesserung der Transportbedingungen bei den eingesetzten Fahrzeugen. Viehhändler Markus Krümpel und Fahrzeugbauer Johnny Cuppers zeigten Möglichkeiten auf, wie durch die richtige Ausrüstung Verbesserungen möglich sind – wie z.B. durch Verdunstungsanlagen die Innentemperatur eines Fahrzeugs um rund 6°C gesenkt werden kann. „Hier braucht es aber eine gute Belüftung, sonst erhöht sich die Luftfeuchtigkeit zu schnell und das wollen wir auch nicht“, ergänze Cuppers. Aktuelle Innovationen, die nicht nur auf das Tierwohl, sondern auch auf die Nachhaltigkeit einzahlen, sind Solaranlagen auf den Dächern der Transporter, mit denen u.a. eine Vielzahl kleiner Ventilatoren zur Belüftung des Innenraums angetrieben werden kann sowie die Abkehr vom Diesel hin zu leiseren und umweltfreundlicheren E-Fahrzeugen.
In einer abschließenden Diskussion wurden die Kernpunkte deutlich, an denen angesetzt werden kann, um kurz nicht nur langfristig etwas zu verändern, sondern auch kurz- bis mittelfristig Verbesserungen beim Tiertransport zu bewirken. Die Schulung des beteiligten Personals, um eine hinreichende Qualifikation zum Umgang mit den Tieren und ein Bewusstsein für das Tier als Lebewesen zu erreichen, ist ein zentraler Faktor. Gleichzeitig muss auch der rechtliche Rahmen klar gesteckt sein. „Awareness allein reicht nicht, bei Verstößen muss es auch rechtliche Konsequenzen geben“, machte Madelaine Looije deutlich. Auch bürokratische Hürden müssten abgebaut werden, um schnellere Reaktionen zu ermöglichen. Landwirte würden teilweise Monate später erst informiert, wenn ein Schlachthof negative Berichte an den Kreis gemeldet habe. Und auch eine Optimierung der Organisation schaffe deutliche Verbesserungen, so Markus Krümpel. „Wenn der Fahrer auf den Hof kommt und die Tiere sind schon bereit, verladen zu werden, die Papiere sind passend ausgefüllt und alles ist vorbereitet, dann spart das Ladezeit, viele Nerven und nimmt dem Fahrer den zeitlichen Druck, der sonst entsteht. Davon profitieren alle und vor allem die Tiere, die keinem unnötigen Stress ausgesetzt werden.“
Die Tönnies Forschung setzt sich seit 2010 für mehr Tierwohl und Tierschutz entlang der gesamten Kette ein. Neben der Förderung von entsprechenden Forschungsprojekten namhafter Hochschulen veranstaltet die gemeinnützige Gesellschaft mehrmals im Jahr Dialog-Veranstaltungen zu diesen Themen. „Wir setzen an unseren Standorten ein hohes Maß an Tierschutz um – an vielen Stellen sogar über den gesetzlichen Standard hinaus. Unser Ziel ist es aber, diese Maßstäbe noch weiter nach oben zu treiben. Denn das Wohl der Tiere, die uns anvertraut werden, ist uns enorm wichtig“, sagt Jörg Altemeier.