Kurz vor Weihnachten haben wir einen Brief an unsere Partner im Viehhandel verschickt. Dabei geht es um flexible Anpassungen von Vertragsbetrieben. Was genau dahinter steckt, erklärt Dr. Wilhelm Jaeger, Leiter der Abteilung Landwirtschaft bei Tönnies.
Frage: Sie haben einen Brief an die Viehhändler verschickt, in dem Sie Landwirten anbieten, von ITW auf QS umzustellen. Heißt das, Sie kehren der Initiative Tierwohl den Rücken?
Dr. Wilhelm Jaeger: Keinesfalls. Im Gegenteil. Wir sind weiter fest davon überzeugt, dass die Initiative Tierwohl das absolut richtige Modell ist und wollen die Erfolgsgeschichte gemeinsam mit dem Handel und der Landwirtschaft fortführen. Der gesamte Handel hat sich eindeutig für Tierwohl ausgesprochen.
Frage: Aber jetzt bieten Sie doch Landwirten genau das Gegenteil an, nämlich aus ITW auszusteigen.
Dr. Wilhelm Jaeger: Das ist so nicht richtig. Wir bieten unseren Partnerbetrieben mit Haltungsstufe 2 lediglich eine temporäre Überbrückung an. Vereinfacht gesagt können die Landwirte gemäß den QS-Kriterien wieder ein paar mehr Schweine je Bucht einstallen.
Frage: Dadurch verlieren sie aber den ITW-Bonus…
Dr. Wilhelm Jaeger: Daher belohnen wir diese Betriebe für ihre Flexibilität auch mit einer Umstellungshilfe. Und viele Landwirte haben dieses Angebot auch schon dankend angenommen und freuen sich, dass wir Ihnen in dieser schwierigen Zeit eine Lösung angeboten haben.
Frage: Warum halten Sie diesen Schritt denn überhaupt für notwendig?
Dr. Wilhelm Jaeger: Das hat mehrere Gründe:Die Umstellung auf höhere Haltungsformen bei verarbeiteter Ware im Handel ist noch nicht so weit fortgeschritten, als erwartet wurde. Wir sind aber zuversichtlich, gemeinsam mit allen Markpartnern eine neue Branchenvereinbarung zu schließen, die auch diese Produkte mit einschließt. Hinzu kommt, dass sich das Kaufverhalten der Verbraucher im Supermarkt durch die Inflation enorm verändert hat.
Frage: Also ist der Verbraucher Schuld?
Dr. Wilhelm Jaeger: Es geht hier doch nicht um die Schuldfragen, sondern darum, gemeinsam daran zu arbeiten, die Landwirtschaft zukunftssicher aufzustellen. Wenn immer mehr Landwirte aufgeben, riskieren wir die Eigenversorgung mit hochwertigen Lebensmitteln wie Fleisch und Wurst in Deutschland. Bei Filets oder Schnitzelfleisch sind wir heute schon auf Importe aus dem Ausland angewiesen – und da haben wir weder Kontrolle über Tierwohl noch über Klimaschutz. Wir leben auf einer gemeinsamen Erde. Wenn wir also die Fleischproduktion in Länder verlagern, denen Nachhaltigkeit und Tierschutz nicht so wichtig sind wie der deutschen Landwirtschaft, dann haben wir am Ende sogar einen negativen Effekt.
Frage: Wie soll es denn nach der Überbrückung weitergehen?
Dr. Wilhelm Jaeger: Die ITW nennt die Überbrückung ja selbst „Pausentaste“. Und das bringt es auf den Punkt. Wenn wir dieses kleine Tal durchschritten haben, rechnen wir fest damit, dass die Nachfrage nach ITW-Ware wieder steigt. Und dann bieten wir den Umstellern eine unbürokratische und einfache Rückkehr auf die Haltungsstufe 2 an.
Frage: Sie garantieren dann auch wieder die Abnahme dieser Tiere?
Dr. Wilhelm Jaeger: Natürlich! Wenn der Markt wieder anzieht und unsere Vertragspartner wieder die Kriterien von ITW erfüllen, dann nehmen wir die vertraglich fixierte Menge ab und bezahlen auch den vereinbarten Aufschlag.