Nach Schwein kommt Rind: Mit einem Eckpunktepapier zur Tierhaltungskennzeichnung von Rindfleisch hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in der vergangenen Woche über die geplante Ausweitung des bestehenden Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes informiert. Eine Verbändeallianz – darunter der Deutsche Bauernverband, der Verband der Fleischindustrie und die Initiative Tierwohl – kritisiert den in ihren Augen unausgegorenen Entwurf. Und der Deutsche Tierschutzbund stellt fest: „Jetzt ist endgültig Chaos.“
Die Verbände aus Landwirtschaft und Agrarindustrie erachten eine Tierhaltungskennzeichnung grundsätzlich für richtig und sinnvoll, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Deshalb habe die Wirtschaft unter anderem mit der Initiative Tierwohl, dem QMilch-Programm und der bekannten privaten Haltungsformkennzeichnung im Handel Transparenz für den Verbraucher geschaffen. „Mit der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung bei Schweinefleisch hat Bundesminister Cem Özdemir jedoch ein Gesetz geschaffen, das noch erhebliche Mängel aufweist“, kritisieren die Verfasser. Bevor dieses Gesetz auf den Rindfleischbereich ausgeweitet werde, müssten zunächst dessen Geburtsfehler behoben werden.
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, bläst ins gleiche Horn. Özdemir wolle die fünfstufige staatliche Tierhaltungskennzeichnung auf Rindfleisch, „obwohl es keine gesetzlichen Haltungsvorgaben für Rinder gibt, die als Referenzwert für die unterste Stufe dienen könnten“. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthalte bisher lediglich Vorgaben für die Haltung von Kälbern, nicht aber für die von Milchkühen und Mastrindern. Schröder: „Wie soll sich eine Haltungskennzeichnung für Rinder vom gesetzlichen Standard abheben beziehungsweise sich an ihm orientieren, wenn dieser überhaupt nicht existiert?“
„Die ersten Vorschläge für die Kriterien bei Rind in den jeweiligen Stufen, die das BMEL mit dem Eckpunktepapier vorgelegt hat, gehen an der Realität vorbei und weisen verschiedene Inkonsistenzen zwischen den einzelnen Stufen auf“, beziehen die Verbände aus Landwirtschaft und Agrarindustrie Stellung. „Statt die Landwirtschaft zu entlasten, wird die Wettbewerbsfähigkeit der Tierhaltung in Deutschland weiter eingeschränkt und zusätzliche Bürokratie erzeugt, ohne dass ein Mehr an Tierwohl absehbar ist“, monieren VdF, DBV, Initiative Tierwohl und andere.
Vielleicht hätte der Minister jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt? Die Interessensvertretungen aus Landwirtschaft und Fleischbranche bejahen das. Weder Tierhalter noch Fleisch- und Milchwirtschaft oder „etablierte Systemträger der Wirtschaft“ seien in die Ausarbeitung des Eckpunktepapiers einbezogen worden. Mit dem Ergebnis, dass die beabsichtigte Erweiterung des Kennzeichnungsgesetzes in der vorgelegten Form zu hoher Verunsicherung in den Betrieben führe, „die bereits erhebliche Tierwohlinvestitionen getätigt haben, um an den Mehrwertprogrammen der Wirtschaft teilzunehmen zu können und nun erneut ihre Ställe umbauen müssten“.